Stellungnahme des Evangelischen Medienverbands in Sachsen e.V. zum Diskussionsentwurf eines Reformstaatsvertrags vom 10. Oktober 2024

Der Evangelische Medienverband in Sachsen e.V. fördert durch geeignete Formen von Medien- und Öffentlichkeitsarbeit den Beitrag der Kirche zur gesellschaftlichen Entwicklung und Orientierung der Menschen. Er setzt sich ein für eine soziale und gerechte Kommunikation auf allen Ebenen und fühlt sich daher auch dem Bildungsauftrag zu einem generationsübergreifenden verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Medien verpflichtet.

Außerdem ist der Medienverband Herausgeber der kirchlichen Wochenzeitung DER SONNTAG in Sachsen. Regelmäßig vergibt der Evangelische Medienverband in Sachsen e.V. (EMV Sachsen) den Evangelischen Medienpreis und beteiligt sich an medialen Projekten wie zum Beispiel dem Kirchenmagazin „Evangelisch in Sachsen“ im Regionalfernsehen. Medienpolitisch gibt er Impulse und Stellungnahmen für Gesetzesänderungen und Positionspapiere. Dem Verband gehören u.a. die Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens, die Diakonie Sachsen, die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen Sachsen, Kirchenbezirke der Landeskirche und Einzelpersonen an. Der EMV begleitet und unterstützt die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens als bedeutende gesellschaftliche Institution im Bereich der Medienpolitik und spricht hier auch stellvertretend für sie.

Der Evangelische Medienverband in Sachsen e.V. nimmt wie folgt Stellung zum Diskussionsentwurf eines Reformstaatsvertrags (Stand 26.09.2024):

Drittsendezeiten für Verkündigung

Der Entwurf zum Reformstaatsvertrag ändert nichts an der Zuweisung von Drittsendezeiten an Kirchen und Religionsgemeinschaften in den durch ihn zu ändernden Staatsverträgen. Dies wird begrüßt. Angeregt wird, anstelle von Sendezeiten für Kirchen künftig von Angeboten für Kirchen zu sprechen. So würde klargestellt, dass es sich nicht alleinig um die Zurverfügungstellung von linearer Sendezeit für Verkündigung handelt, sondern um Angebotsplätze auch in den nicht-linearen Portalen – insbesondere mit Blick auf solche Angebote, die keine Entsprechung im linearen Programm haben. Andernfalls würden die Drittsendezeiten der Kirchen perspektivisch nur noch dort wirksam werden, wo der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch linear sendet.  

Rechtsstaatliche Umsetzung der aktuellen KEF-Empfehlung

Der Entwurf zum Reformstaatsvertrag lässt die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten im Februar 2024 den Ländern im 24. KEF-Bericht vorgelegte Empfehlung zur Anpassung

des Rundfunkbeitrags auf monatlich 18,94 Euro pro Haushalt ab Januar 2025 außen vor. Die Länder sind verfassungsrechtlich gehalten, diese Empfehlung fristgerecht umzusetzen. Der Entwurf eines Reformstaatsvertrags mag Änderungen an Strukturen und Auftrag der Rundfunkanstalten beinhalten. Die aktuelle KEF-Empfehlung basiert allerdings auf dem bestehenden Auftrag der Rundfunkanstalten und nicht auf einem zukünftigen, dessen Einigung im Länderkreis noch aussteht und dessen Umsetzung durch die Landesparlamente noch offen ist. Die KEF hält dazu im Vorwort des 24. Berichts fest:

„Ausgangspunkt für die Empfehlung zur Höhe des Rundfunkbeitrags ist der gesetzliche Auftrag der Länder an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die politisch diskutierten Vorschläge zum zukünftigen Auftrag und der Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks können erst dann in einer Beitragsempfehlung berücksichtigt werden, wenn diese konkret in einem Staatsvertrag der sechzehn Länder geregelt sind.“

In Teilziffer 18 des 24. KEF-Berichts legt die Kommission zudem dar:

„Die Kommission weist darauf hin, dass die Rundfunkanstalten trotz vorgenommener Kürzungen mit dem empfohlenen monatlichen Rundfunkbeitrag 2025 bis 2028 bedarfsgerecht finanziert sind. Gleichzeitig würde jedoch ein Unterschreiten der empfohlenen Beitragshöhe die zur Erfüllung ihres derzeitigen Auftrags notwendige Finanzierung gefährden.“

Der Evangelische Medienverband in Sachsen e.V. weist darauf hin, dass ohne eine Umsetzung der aktuellen KEF-Empfehlung nach dem Urteil der dafür zuständigen und von den Ländern selbst eingesetzten Kommission eine Unterfinanzierung des Rundfunks droht. Diese würde sich mutmaßlich auch auf die Abwicklung der kirchlichen Drittsendezeiten auswirken, was im Widerspruch zu den von den Ländern mit den Kirchen geschlossenen Staatsverträgen stünde, die einen Einsatz der jeweiligen Länder für die Sicherung der Drittsendezeiten im Rundfunk vorsehen.

Von der KEF-Empfehlung können die Länder zudem nur in sehr engen und begründungspflichtigen Fällen abweichen, die vor der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit Bestand haben müssen.  Beitragsfragen dürfen nach der Rechtsprechung gerade nicht mit medienpolitischen Vorhaben verknüpft werden. Das Bundesverfassungsgericht hat zuletzt in seiner Sachsen-Anhalt-Entscheidung von 2021 festgehalten, dass die Länder bei der Umsetzung der KEF-Empfehlungen in einer föderalen Verantwortungsgemeinschaft stehen.

Auch vor dem Hintergrund der bereits eingetretenen Verzögerung bei der Umsetzung der Empfehlung aus dem 24. KEF-Bericht fordert der EMV Sachsen die Länder auf, die von ihnen selbst mit beschlossenen staatsvertraglichen Verfahren zu achten und die bedarfsgerechte Finanzierung des Rundfunks durch eine fristgerechte Umsetzung der aktuellen KEF-Empfehlung durch eine entsprechende Anpassung des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags umzusetzen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Polarisierung, die wir insbesondere in Sachsen erleben, geboten: Unsere Demokratie stärkt man nicht durch Unterlassen, sondern durch rechtsstaatliches Handeln.

Verbot der Presseähnlichkeit

Unter den vielfältigen weiteren Regelungen des Diskussionsentwurfs sticht die Formulierung zur sog. Presseähnlichkeit heraus. Hier verfolget der Entwurf ein rückwärts gerichtetes Konzept, das in seiner vorgelegten Formulierung die öffentlich-rechtlichen Internetangebote in einer Weise einzuschränken droht, die der Zielerfüllung eines Rundfunks /Medienanbieters für alle diametral zuwiderläuft. Wenn Textangebote nur noch sendungsbegleitend und auf Artikelebene mit Einbindung audiovisueller Elemente erlaubt sein sollen, werden Live-Ticker und vor allem internetspezifische Darstellungsformen verunmöglicht. Unsere Gesellschaft braucht allgemein zugängliche Medienangebote, die auch ärmeren Bevölkerungsschichten ohne Pay-Wall wie bei kommerziellen Angeboten die dauerhafte Teilhabe sichern. Text ist zudem kein Vorrecht für erlösorientierte Anbieter, sondern die Grundform für gesellschaftliche Verständigung sowie das Mittel der Wahl bei aktuellen Ereignissen.

Der Evangelische Medienverband in Sachsen – selbst Herausgeber einer Wochenzeitung – sieht eine gesicherte gesellschaftliche Kommunikation insbesondere im Regionalen durch gemeinwohlorientierte Anbieter wie die ARD-Landesrundfunkanstalten als höherwertiger an als angebliche Schutzbedürfnisse von Verlagen. Die von den Aufsichtsgremien der Landesrundfunkanstalten durchgeführten Drei-Stufen-Tests zu den Telemedienangeboten haben zudem in wissenschaftlich abgesicherten Untersuchungen ergeben, dass diese Angebote keinen „market impact“ erzeugen, der privatwirtschaftliche Unternehmungen gefährdete.

Zusammenlegung von Spartenkanälen

In der Differenzierung sollte ein werbefreies Angebot für Kinder unbedingt erhalten bleiben. Die Festlegung einer einzigen Federführung begrüßt der EMV Sachsen mit Blick auf phoenix, wo es bisher je eine Geschäftsführerin des ARD-Federführers WDR und des ZDF gibt. Der KiKA mit einer einzigen Programmgeschäftsführung kann hier ein gutes Vorbild sein. Die im Entwurf dargestellte Zusammenlegungsvariante von 3sat und ARTE sieht der EMV Sachsen nicht zuletzt vor dem Hintergrund internationaler Verpflichtungen kritisch.

Insgesamt sollten sich die Länder weniger von dem Wunsch nach Reduktion, sondern von dem in § 26 des Diskussionsentwurfs selbst formulierten Zieles leiten lassen, nämlich dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk es zu ermöglichen, Gruppen und Milieus entsprechend ihres Mediennutzungsverhaltens zu erreichen und dabei auch Bildungsinhalte vorzusehen.

Flexibilisierung von Spartenkanälen

Bei den Regelungen zur zwangsweisen Überführung von bisherigen Digital- und Spartenkanälen ins Internet geht der Entwurf bei der Zeitschiene davon aus, dass bis spätestens 2033 diese Überführung stattfinden muss – vorausgesetzt, der relevante Teil der Zielgruppe nutzt das Angebot bereits im Netz. Was aber, wenn die Netzabdeckung nicht vollständig gegeben ist? Bestimmt dann eine nutzende Mehrheit über eine nicht nutzungsfähige Minderheit? Der Breitbandausbau und die Mobilfunkabdeckung ist bereits heute in bestimmten Regionen nicht abschließend gesichert. Dem Gesetzgeber wird empfohlen, die Überführung der Kanäle ins Internet nicht nur anhand der Nutzung, sondern auch anhand der tatsächlichen Verfügbarkeit angemessener Internetverbindung in allen Regionen vorzusehen – ggf. mit einer entsprechend dynamischen Kopplung des Endzeitpunkts über 2033 hinaus. Dies könnte helfen, bestimmte Regionen und ihre Bevölkerung in der Versorgung nicht abzuhängen. Erwiesenermaßen ist die gefühlte und tatsächliche Vernachlässigung des ländlichen Raums eine Nährquelle für Populisten.

Einrichtung eines übergreifenden Medienrats / Auftragsbericht

Hier wird ein weiteres Gremium installiert, ohne das bisherige aufgelöst werden.  Es steht eine Formalisierung und Bürokratisierung zu befürchten, die der Akzeptanz des Rundfunksystems abträglich sein könnte. Zudem fehlt eine adäquate Ausprägung eines ähnlichen Gremiums für die Aufsicht und Auftragserfüllung des kommerziellen Rundfunks.

Federführungsprinzipien

Die Festlegung auf Federführungsprinzipien in Technik, Verwaltung und Einkauf etc. kann sinnvolle Wirkung entfalten. Allerdings sollte von einer zwanghaften Verpflichtung im Programmbereich Abstand genommen werden: Insbesondere den Landesrundfunkanstalten der ARD wie dem MDR muss es freistehen, gemeinschaftlich im Verbund produzierte Angebote zu übernehmen oder selbst mitzugestalten. Die eigenständige Entscheidung für ein Programmangebot muss weiter möglich sein. Ein zentralisierter Rundfunk widerspräche dem föderalen Leitgedanken. 

Reduktion Hörfunkwellen

Der Diskussionsentwurf zum Reformstaatsvertrag greift hier als geplantes jüngeres Gesetz den eigentlich für diese Ausgestaltung vorgesehenen Staatsverträgen und Landesgesetzen wie dem MDR-StV oder dem BR-Besetz vor. Der EMV Sachsen sieht diese Vorgehensweise kritisch. Für eine Neuordnung der Anzahl – und damit auch perspektivisch der Inhalte – der Hörfunkwellen der ARD-Anstalten benötigt es mehr Zeit und regionalisierte Vorgehensweisen in Anhörungsverfahren als die mit dem Entwurf zum Reform-StV veranschlagten zwei Wochen. Hier ist eine regional gesellschaftliche Debatte notwendig.

Gremienrelevante Aufgreifschwellen harmonisieren oder abschaffen

Der Entwurf zum Reformstaatsvertrag legt beim ZDF weiter keine gremienrelevanten Aufgreifschwellen für zustimmungspflichtige Angelegenheiten beim Erwerb von Programmbestandteilen wie Lizenzen, Auftragsproduktionen oder Sportrechten fest. In den Landesrundfunkanstalten der ARD hingegen ist dies in Staatsverträgen und Rundfunkgesetzen detailliert und unterschiedlich geregelt. Der EMV Sachsen empfiehlt hier eine Gleichbehandlung.

Quotierungen von Aufwendungen

Der Entwurf zum Reformstaatsvertrag möchte eine Deckelung der Aufwendungen im Sportbereich festschreiben. Der EMV Sachsen steht solcher Art von Quotierungen skeptisch gegenüber. Die Rundfunkanstalten sind binnenplural organisiert und es ist Aufgabe der zuständigen Aufsichtsgremien bei der Genehmigung des Haushalts im Zusammenspiel mit dem/der Intendantin auf eine sachgerechte Ausstattung hinzuwirken. Staatsvertragliche Vorgaben bergen das Risiko, dass daraus Quotierungsansprüche Dritter für andere Zwecke abgeleitet werden könnten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland soll frei sein, nicht staatsvertraglich quotiert.

Evangelischer Medienverband in Sachsen e.V. wählt neuen Vorsitzenden

Neue Spitze für kirchliche Medienarbeit in Sachsen

Der Evangelische Medienverband in Sachsen e.V. (EMV) hat sich am 03.12.2023 in Radebeul konstituiert und einen neuen Vorstandsvorsitzenden sowie eine neue Stellvertreterin gewählt. Oberlandeskirchenrat Burkart Pilz bekleidet ab sofort das Amt des Vorsitzenden als institutioneller Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Mira Körlin, die für den Kirchenbezirk Dresden Mitte im Vorstand sitzt, aber auch persönliches Vereinsmitglied ist, wird ihn als Stellvertreterin unterstützen. Pilz tritt damit die Nachfolge von Oberlandeskirchenrat Karl-Ludwig Ihmels an, der am 25. Mai dieses Jahres in den Ruhestand verabschiedet worden war.

Burkart Pilz: „Paulus schrieb Briefe in alle Welt. Heute kommt Kirche ihrem Öffentlichkeitsauftrag vielfältiger nach. Damals wie heute ist Kirche immer öffentlich. Wir haben etwas zu sagen – in religiösen, sozialen oder diakonischen Themen. Dass Kirche präsent und sichtbar bleibt in der Medienlandschaft ist auch in Zukunft von hoher Bedeutung.“

Die Herausgeberschaft für die Wochenzeitung DER SONNTAG als zentrale landeskirchliche Diskursplattform bleibe eine wichtige Aufgabe, aber auch die Vernetzung verschiedener Arbeitsbereiche kirchlicher Publizistik und Medienarbeit in Sachsen.

Im Rahmen dieser Sitzung wurde auch Superintendent Frank Manneschmidt aus Chemnitz in den Vorstand berufen. Der EMV dankt ihm an dieser Stelle für seine langjährige Arbeit als stellvertretender Vorsitzender.

Der Evangelische Medienverband in Sachsen e.V. (www.medienverband-sachsen.de) wurde 1999 gegründet und ist Herausgeber der traditionsreichen kirchlichen Wochenzeitung DER SONNTAG in Sachsen. Regelmäßig vergibt der EMV den Evangelischen Medienpreis und beteiligt sich an medialen Projekten wie dem Kirchenmagazin „Evangelisch in Sachsen“ im Regionalfernsehen. Medienpolitisch gibt er Impulse und Stellungnahmen für Gesetzesänderungen und Positionspapiere. Der Vorstand des EMV arbeitet ehrenamtlich und setzt sich für die Vernetzung kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit und Zusammenarbeit mit sächsischen Medien ein.